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Alte Liebe spürt Frühlingsgefühle

  • 28. Juli 2020

Seit mehr als einem halben Jahrhundert locken Vita-Parcours die Bevölkerung zum Sporttreiben in die Wälder. Besonders in der Corona-Zeit erlebten die «Fitnessstudios in der Natur», welche vielerorts durch hiesige Turnvereine gepflegt und betreut werden, eine neuerliche Renaissance. GYMlive hat sich auf Spurensuche begeben.

«Wir wurden in den vergangenen Wochen von Rückmeldungen und Anregungen über unsere Parcours regelrecht überrannt», sagt Barbara Baumann, Leiterin der «Zurich vitaparcours» bei der Schweizerischen Gesundheitsstiftung Radix. Diese Aussage verwundert nicht. Die 497 Anlagen in der Schweiz erleben nicht zuletzt wegen des Corona-Lockdowns einen erneuten Aufschwung. Die Bevölkerung zieht es zum Sporttreiben in die Natur, dies zeigt auch die Studie «Sport Schweiz 2020». «Es gab Zeiten, in denen die Sportler bei vereinzelten Parcours bei den Posten sogar anstehen mussten», weiss Baumann.
Von einem Parcours-Boom berichtet derweil auch Hugo Bächler vom TV Alterswil. Bächler war vor 30 Jahren Initiator des Vita-Parcours in der Freiburger Gemeinde und ist gemeinsam mit seinen Vereinskollegen nach wie vor für die Pflege und den Unterhalt zuständig.
Der Turnverein Alterswil steht stellvertretend für die zahlreichen Turn- und Sportvereine, die rund elf Prozent aller Parcours in der Schweiz unterhalten. Eine Arbeit, die laut Barbara Baumann unabdingbar sei, denn: «Der Unterhalt ist für die Sicherheit und Qualität der Anlagen sehr wichtig. Meistens amten die Gemeinden als Trägerschaft des Parcours, während die Pflege durch die Vereine übernommen wird.»
Die Bevölkerung schätzt diese Möglichkeit sehr, sich im Wald sportlich betätigen zu können, sagt Hugo Bächler und stützt seine Aussagen über Beobachtungen und Begegnungen auf «seinem» Vita-Parcours. Diese Tatsache freut auch den TV Alterswil, der rund 250 Stunden pro Jahr in die Pflege und Instandsetzung des Parcours investiert. Sei dies zum Sträucherschneiden oder um neue Holzschnitzel auf der Laufstrecke zu verteilen. Die Wertschätzung an der Freiwilligenarbeit des Turnvereins sei wiederum auch ein positives Zeichen für das Image des Vereins, so Bächler weiter.

Nicht zuletzt auch wegen Corona haben in den vergangenen Monaten zahlreiche Sportbegeisterte die Vita-Parcours für sich (wieder-)entdeckt.


8108 Besuche in einem Monat
Wie gross das Interesse an den Vita-Parcours ist, zeigen unter anderem die Zahlen aus dem Baselbiet. Das Sportamt Baselland hat in diesem Frühling auf verschiedenen Anlagen mittels Bodensensoren die Frequentierung verzeichnet – mit erstaunlichen Resultaten. Auf dem Parcours in Muttenz wurden im Rekordmonat April insgesamt 8108 Besuche verzeichnet. «Aktuell werden die Parcours so stark genutzt wie schon lange nicht mehr», bestätigt auch Thomas Beugger, Leiter des Sportamtes Baselland. So haben sich in den Monaten März bis Mai die Besucherzahlen im Vergleich zum Vorjahr vervielfacht. «Es wurden doppelt bis gar dreimal so viele Sportler registriert», erklärt Beugger weiter.

Die Natur lockt als Sportort

Dass der Vita-Parcours auch 52 Jahre nach der Erstellung der ersten Anlage, auf Initiative der Männerriege des Turnvereins Wollishofen im Gebiet Zürich Fluntern, nichts von seinem Glanz verloren hat, zeigen die neusten Erhebungen aus der jüngst erschienenen Studie «Sport Schweiz 2020» des Bundesamtes für Sport (Baspo). Demnach gaben 19 Prozent der Schweizer Bevölkerung an, die Parcours in den letzten zwölf Monaten benutzt zu haben. Wenn man zudem in Betracht zieht, dass die freie Natur als meistgenannter Sportort von 68 Prozent der Bevölkerung genutzt wird – und Vita-Parcours stehen bekanntlich vorwiegend im Waldgebiet – überrascht es nicht, dass diese Art von sportlicher Betätigung, wie sie es der Vita-Parcours bietet, im Trend ist. Die Tendenz von «Zurück in die Natur» spürt auch Sportphysiotherapeut Florian Schmid. Der Abteilungsleiter der Hirslanden-Klinik in Aarau sieht viele Faktoren, die das Erfolgsgeheimnis bestätigen: «Der Parcours ist vielfältig, da man die Übungen in verschiedenen Varianten ausüben kann. So ist für jeden etwas dabei, ob Anfänger oder fortgeschrittener Sportler.»
Zudem liegt der jeweilige Standort der Anlage optimal für einen Besuch. «Der Vita-Parcours bietet für all diejenigen, für die das Lauftraining zu monoton ist, eine willkommene Abwechslung. Zudem ist die Benützung kostenlos und man kann frei wählen, wann und wie oft man auf die Anlage gehen möchte. Es besteht zudem kein Leistungsdruck», so der Sportphysiotherapeut über weitere Aspekte, die für die Parcours-Benützung sprechen.

Vom Homeoffice profitiert
Obwohl Schmid durchs Band nur positive Punkte sieht, erwähnt er auch ganz wenige Nachteile. So gebe es beispielsweise keinen Coach, der während den Übungen darauf achtet, dass diese korrekt ausgeführt werden. «Nicht jeder Hobbysportler hat ein gutes Körpergefühl und weiss, worauf er achten muss.» Dies sei kein unwesentlicher Aspekt, den es zu beachten gilt. Nicht dass man in jene Phase hineintrainiert, in der es schmerzhaft wird. Dass der Vita-Parcours gerade in der Corona-Zeit wieder vermehrt genutzt wurde, sieht Schmid auch in der Tatsache, dass viele Leute aufs Homeoffice gewechselt haben und mit einer Runde im Wald den passenden Ausgleich in der Natur gesucht und gefunden haben. Gerade weil die Schweiz dank ihrer Kleinräumigkeit und der landschaftlichen Vielfalt in der Baspo-Studie als Outdoor-Paradies bezeichnet wird, wird sich die Schweizer Bevölkerung wohl auch in Zukunft weiterhin stark ihrer alten Liebe Vita-Parcours widmen.

Text und Fotos: Thomas Ditzler


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