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Kunstturn-Kampfrichter beim Werten

Neuer Olympia-Zyklus – angepasstes Bewertungssystem

  • 23. Mai 2025

  • Timo Kim

  • Archiv STV / Stephan Boegli

Alle vier Jahre, wenn ein neuer Olympia-Zyklus startet, gibt es Anpassungen im «Code de pointage», dem Bewertungssystem im Kunstturnen. Was sich im Kunstturnen der Männer genau geändert hat, wie sich dies auf die Athleten auswirkt und was das hinsichtlich der bevorstehenden Europameisterschaften in Leipzig bedeutet, erfährst du in diesem Beitrag.

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Das Bewertungssystem, das auch «Code de Pointage» genannt wird, wird alle vier Jahre von einem Technischen Komitee der Fédération Internationale de Gymnastique (FIG) angepasst. Dieses Komitee setzt sich aus sechs Mitgliedern und einem Präsidenten zusammen. Gemeinsam haben sie die neuen Weisungen festgelegt, die anschliessend im Februar 2024 vom Exekutivkomitee der FIG genehmigt wurden.

Inhaltlich hat sich einiges verändert:  

  • Die Anzahl der Turnelemente bei den Männern wurde von 10 auf 8 reduziert. Das führt dazu, dass die einzelnen Elemente neu gewichtet wurden.  
  • Zudem «hat der Wert der Abgänge bei einer Übung stark zugenommen», erklärt Laurent Maertens, Sportwissenschaftler beim Schweizerischen Turnverband. Wenn man den Abgang steht, bekommt man einen Bonus von 0,1 Punkten. Die Anzahl der benötigten Elementgruppen pro Übung wurde von 4 plus Abgang auf 3 plus Abgang reduziert. Bei der Abgang-Elementgruppe sind die vergebenen Punkte nicht wie bei den anderen Elementgruppen auf 0,5 Punkte begrenzt, sondern je nach Schwierigkeitsgrad offen.
Der Abgang vom Gerät wird jetzt stärker gewichtet.

Fokus auf Ausführung und Schwierigkeit

Laut Maertens habe der «Code de Pointage» sowohl positive als auch negative Aspekte. Es werde weniger auf Ausdauer gesetzt, sondern mehr auf die Schwierigkeit und deren Ausführung fokussiert. Somit könnten junge Turner durch die Reduktion der Elemente früher zu Eliteturnern aufsteigen und ältere Athleten könnten auch länger auf Profiniveau mitturnen. «Dadurch können wir in Zukunft ein konstant höheres Wettkampfsniveau mit spektakulären Übungen erwarten. Um die Nachteile des neuen Systems zu nennen, ist es noch zu früh», sagt Maertens. 

In den Trainings haben die Turnenden sowie Trainer schon vieles verändert. Auf den kommenden Grossevent, die Europameisterschaften in Leipzig (26. bis 31. Mai 2025), haben die Kunstturner Elemente ausgetauscht oder angepasst. Die Trainer haben ihre Trainingspläne überarbeitet, damit die Turner hohe Noten erreichen können. Man kann spektakulärere, packende Auftritte, die durchgehend auf höchstem Niveau geturnt werden, erwarten. Der neue «Code de Pointage» hat zum Ziel, den Ehrgeiz, die kontrollierte Risikobereitschaft, und weitere Leistungsfaktoren der Athleten herauszufordern.

Zeit und Routine nötig

Jedoch müssen sich nicht nur Turner und Trainer dem neuen Bewertungssystem anpassen, genauso stark betroffen sind die Kampfrichter. Sie müssen beim Werten auf neue Details achten, was es anfangs sehr schwierig macht, fair zu bleiben. Das braucht etwas Zeit und Routine, um hier eine gute Linie zu finden. Für Severin Rohrer, internationaler Kampfrichter, war der Übergang nicht leicht, er meint jedoch: «Wenn man das Kunstturnen als Athlet kennt, ist die Bewertung nachvollziehbarer. Vielen fällt es leichter, weil sie selbst aus dem Kunstturnen kommen.»  

An den bisherigen Wettkämpfen mit dem neuen Code hat sich gezeigt, dass die Wertung der Richter ein wenig tiefer lag als noch vergangenes Jahr (Deshalb: 14 Punkte sind momentan ein sehr guter Wert).   

Wie sich der neue «Code de Pointage» in Zukunft auswirken wird, ist noch etwas unklar. Wichtig ist jedoch, dass sich alle, die damit konfrontiert sind, damit umzugehen wissen, besonders die Turnenden. Sie müssen sich bis zu den nächsten Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles an das neue Reglement, an neue Trends anpassen.

Der Schweizerische Turnverband wird sein Bestes geben, um in diesem sich entwickelnden Umfeld, erfolgreich zu bleiben.

Anmerkung

Auch im Frauen-Kunstturnen wurde der «Code of Pointage» auf den neuen Olympia-Zyklus hin angepasst. Dieser Beitrag bezieht sich aber explizit auf die Anpassungen im Männer-Kunstturnen.

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