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Nach dem Sieg am letzten Eidgenössischen wanderten rund 50 Mitglieder des STV Wangen in mehreren Etappen nach Hause – dieses Jahr wären es rund zweimal so viele Kilometer wie damals von Aarau nach Wangen SZ. «Die Idee ist damals aus einem Jux entstanden», erinnert sich Nicole Ebnöther, Pressechefin des Vereins.
Sechs Jahre später sitzen Nicole Ebnöther, die Leiterin der Mädchenriegengruppe, Céline Küttel, Oberturner Loris Laib und der Initiant der Ü35-Gruppe, Daniel Bruhin, an einem Tisch im Vorraum der einen von zwei Turnhallen im Dorf. Dass sie auch einen Fussmarsch von Lausanne in Erwägung ziehen, zeigt, dass die Ambitionen auch sechs Jahre nach Aarau auf Sieg gestellt sind.
Dorfinterne Konkurrenz ist kaum vorhanden: Wer beispielsweise lieber Fussball spielen möchte, muss ins Nachbardorf, denn einen Fussballclub hat Wangen nicht.
Aus der Halle ist «Rhythm Is a Dancer» von Snap! zu hören – die Gymnastikgruppe feilt drei Monate vor dem Turnfest an ihrer Choreografie. Im vorderen Drittel der Halle trainiert die Jugendgruppe Hochsprung. Nachwuchssorgen kennt der Verein definitiv nicht. An einem Dienstag wie diesem füllen etwa 60 Kinder die Halle, 175 sind es insgesamt – 50 Leiterposten sind auf rund 40 Mitglieder verteilt.
Viele junge Turnerinnen und Turner, die vor sechs Jahren die Turnfest-Sieger applaudierend empfangen haben, sind nun selbst bei den Aktiven dabei. Rund zwei Drittel der Aktiven haben vor sechs Jahren bereits beim Sieg mitgeturnt, ein Drittel stammt aus dem eigenen Nachwuchsbereich. «Es sind wohl 90 Prozent der Schülerinnen und Schüler der Primarstufe im Verein», schätzt Céline Küttel. Einen Vorteil hat der im Jahr 1928 gegründete Verein dabei – dorfinterne Konkurrenz ist kaum vorhanden: Wer beispielsweise lieber Fussball spielen möchte, muss ins Nachbardorf, denn einen Fussballclub hat Wangen nicht.

Schicksalsschlag hat zusammengeschweisst
Bei den Aktiven sind es rund 150 Turnerinnen und Turner. Der Zusammenhalt ist gross und ist durch einen Schicksalsschlag, als ein Vereinsmitglied bei einem Unwetter am Eidgenössischen Turnfest in Biel schwer verletzt wurde und Monate später verstarb, noch grösser geworden. «In Aarau kamen so viele Zufälle zusammen, letztlich haben wir mit 0,02 Punkten Vorsprung gewonnen, deshalb waren unsere Gedanken nach dem Sieg auch bei Roli, und wir denken, dass er auch an diesem Sieg seinen Anteil hatte», sagt Nicole Ebnöther.
Der STV Wangen ist eine grosse Familie, trotz hoher Ziele ist jede und jeder willkommen. «Fast alle meine Freunde sind im Verein», sagt Daniel Bruhin. Ähnlich sieht es Céline Küttel. «Es ist ein guter Mix aus Disziplin und Unterstützung. Wir haben einen sehr guten Zusammenhalt.» Diesem Zusammenhalt wollen sie am diesjährigen Eidgenössischen Turnfest mit einem einheitlichen T-Shirt für alle jugendlichen und aktiven Teilnehmenden Ausdruck verleihen. Dazu wurde gar ein Crowdfunding ins Leben gerufen.
Wir sind in diesem Jahr sicher noch athletischer geworden.
Ü35-Gruppe – dabei, aber weniger intensiv
Trotz der kühlen Temperaturen an diesem Abend ist unter Flutlicht das Leichtathletiktraining im Gange. Daniel Bruhin, je einmal bei den Junioren und bei den Masters im Speerwerfen Schweizer Meister, hat im letzten Jahr die Ü35-Gruppe ins Leben gerufen. Denjenigen Wurfspezialisten und den Mitgliedern der Damenriege, die nicht mehr ganz so intensiv trainieren wollen, gibt dies die Möglichkeit, trotzdem noch am Eidgenössischen in mehreren Disziplinen teilzunehmen und dem Verein zu wichtigen Punkten im Kampf um die Spitzenplätze zu verhelfen.
Die Wurfdisziplinen sind eine Spezialität des Vereins, wenn auch die Gymnastikgruppe in den letzten Jahren einen Leistungssprung erzielte und an regionalen sowie kantonalen Turnfesten Podestplatz an Podestplatz reihen konnte. Unter Anleitung von Daniel Bruhin schleudert ein Turner nach dem anderen den Ball über den Rasen. Bruhins Bestweite liegt bei 63,5 Metern, der Vereinsrekord liegt bei über 70 Metern. Der Vereinsrekord beim Steinheben liegt bei 63,5 Hebungen mit dem 22,5 Kilogramm schweren Stein.
Eigentlich aus einer Not heraus sind die Werferinnen und Werfer des STV Wangen im Hinblick auf das kommende Turnfest noch stärker
einzuschätzen. Wegen Platzmangel in den Hallen konnte weniger Technik trainiert werden, stattdessen wurden die Krafteinheiten intensiviert. «Wir sind in diesem Jahr sicher noch athletischer geworden», sagt Daniel Bruhin. Bei ihm kommt im Hinblick auf Lausanne 2025 langsam Nervosität auf, auch wenn es laut ihm eine andere ist als noch vor sechs Jahren. «Nun stellt sich eher die Frage: Können wir die Leistung nochmals so zeigen?»
In der Halle hinter den Leichtathletinnen und Leichtathleten wird am Barren geturnt. Viele von ihnen haben beim letzten Eidgenössischen
für die letzten Punkte zum Sieg gesorgt. «Das war in Aarau eine riesige Stimmung!», erinnert sich Daniel Bruhin. Dank Verzögerungen konnten die Wurf- und die Gymnastikgruppe rechtzeitig dem Auftritt der Geräteturner beiwohnen. Letztlich vermochte der Schwyzer Verein quasi auf der Ziellinie Favorit Wettingen noch abzufangen.

Es kribbelt langsam, man merkt es auch im Training.
Vom Jäger zum Gejagten
«Der Hunger nach dem Erfolg ist auf jeden Fall noch nicht gestillt», sagt auch Oberturner Loris Laib im Hinblick auf das diesjährige Eidgenössische. Der Druck sei aber nicht erst drei Monate vor Lausanne ein anderer. «Wir wollten bereits an den Turnfesten in den letzten Jahren immer einen perfekten Wettkampf zeigen.» Neuen Antrieb musste der Verein also nicht suchen.
«Der Stolz der Mitglieder nach dem Sieg hat uns eher einen Schub verliehen», sagt er, der seit 17 Jahren im Verein ist und das Amt des Oberturners nach dem Sieg in Aarau mit der Mission Titelverteidigung übernommen hat. «Es kribbelt langsam, man merkt es auch im Training», sagt der frühere Kunstturner. «Wir haben bereits die letzten Monate einen Steigerungslauf hingelegt und freuen uns nun auf die nächsten Monate. Im Vergleich zum Vorjahr sind wir in vielen Bereichen mindestens so gut, vielleicht sogar besser geworden», macht Loris Laib eine Ansage.
Ob sie dann bei einem Sieg tatsächlich nach Hause wandern würden, ist noch nicht ganz geklärt. «Es stand mal zur Diskussion, dass wir
dieses Mal mit dem Fahrrad nach Hause fahren würden», lacht Céline Küttel im Bewusstsein, wie weit der Weg von Lausanne nach Wangen ist.
STV Wangen/SZ
- Gründung: 1928
- Mitglieder: 150 aktive Turnerinnen und Turner, 175 Kinder und Jugendliche
Die Gymnastik- und die Wurfdisziplinen sind die Spezialitäten des Vereins, und die Mitglieder haben in den letzten Jahren zahlreiche Podestplätze bei regionalen und bei kantonalen Turnfesten erreicht. Der Verein plant, am diesjährigen Eidgenössischen Turnfest in Lausanne teilzunehmen und den Titel von Aarau 2019 zu verteidigen.