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Es «krabbelt» in den Hallen

  • 5. Oktober 2020

Herumtoben, den natürlichen Bewegungsdrang ausleben und zugleich neue Turngeräte entdecken. Das Krabbel-Gym, der etwas andere grosse Spielplatz für die Jüngsten in den regionalen Leistungszentren, ist ein Erfolgsgarant und zugleich eine Ergänzung zum bewährten MuKi-Turnen-Angebot.

Mit einem breiten Grinsen im Gesicht kämpft sich ein kleines Mädchen zwischen dutzenden von Schaumstoffwürfeln hinaus aus der grossen Schnitzelgrube. Wenige Sekunden zuvor wagte es den ersten Sprung in die Grube, die in erster Linie eigentlich zur Verhinderung von Trainingsunfällen gedacht ist. Nebenan hört man lautes Gelächter von zwei Buben, die sich gerade ein Wettrennen auf dem Airtrack liefern. So ähnlich dürfte es in manchen Trainingszentren wöchentlich zu- und hergehen, wenn die Einrichtungen fürs Krabbel-Gym zugängig sind. Eine von vielen solchen Institutionen befindet sich auch im Kanton Baselland, in Liestal. «Sehr hoch», sagt der dortige Geschäftsleiter des Nordwestschweizerischen Kunstturn- und Trampolinzentrums Liestal (NKL), Thomas Rutishauser, angesprochen auf die Bedeutung des Krabbel-Gyms in seiner Einrichtung.

Einrichtung bekannt machen
Seit rund zehn Jahren können in der Rosenhalle in Liestal die Kleinsten mehrmals wöchentlich auf eigene Faust erste Turnluft schnuppern und sich unter Aufsicht einer Begleitperson an verschiedenen Turngeräten wie Airtrack, Schnitzelgrube oder Sprossenwand frei austoben und vergnügen. Nicht umsonst spricht Rutishauser diesbezüglich auch vom «etwas anderen Spielplatz». Wie erfolgreich das Krabbel-Gym ist, zeigt ein Blick auf die Statistik. So konnte das NKL im vergangenen Jahr 7500 Besuche verbuchen. Tendenz steigend.
«Mit diesem Angebot können wir unsere Institution sowohl bei den Kindern als auch den erwachsenen Personen bekannter machen. Zudem sind die Eintrittspreise eine wichtige Einnahmequelle für unser Zentrum», erklärt Rutishauser. Mit diesem Angebot und der Öffnung der Trainingseinrichtung für die breite Bevölkerung ist man in Liestal nicht allein. Schweizweit bieten zahlreiche Leistungszentren dieses Bewegungsprogramm an (siehe Liste) – und dies mit grossem Erfolg, wie eine GYMlive-Umfrage bei ausgewählten Institutionen zeigt.
So zieht auch Werner Gottier, Präsident des Gyms Berner Oberland in Uetendorf, ein durchwegs positives Zwischenfazit ihres sogenannten «Gym’n’Fun for Kids». Das Turnsportzentrum hat mit der Eröffnung im vergangenen Herbst dieses Angebot aufgenommen. «Dadurch können wir die freie Kapazität der Infrastruktur an den freien Vormittagen nutzen und zugleich indirekt Werbung für unser Zentrum und das Kunstturnen in der Region machen», sagt Gottier. Auch er sieht im Krabbel-Gym viele Vorteile. Neben dem finanziellen Aspekt sei es aber vor allem die Möglichkeit für die Kinder, sich frei austoben zu können – oder wie es Gottier nennt «die Sau rauszulassen». Nach rund einem Jahr Krabbel-Gym im Gym Berner Oberland sei das Echo der Eltern durchwegs positiv.

Bestehende Infrastrukur nutzen
Ähnlich tönt es auch in der Ostschweiz. Christof Kuoni, Präsident des Turnwerks Südostschweiz, erhofft sich mit der Eröffnung der neuen Trainingshalle in Mels, dass sich der Stellenwert des Krabbel-Gyms noch weiter steigern wird. Bereits am früheren Standort, in der Trainingshalle in Maienfeld, welche im August durch die neue Halle abgelöst wurde, sei das Interesse gross gewesen. «Mit der neuen Infrastruktur bieten sich uns noch bessere Möglichkeiten. Auch die Kapazität können wir dank der grösseren Fläche erweitern», freut sich Kuoni. Er rechnet damit, dass die Einnahmen durchs Krabbel-Gym rund zehn Prozent des Jahresumsatzes ausmachen werden. Vielmehr geht es aber auch ihm darum, Kinder in die Halle zu bringen. «Das Krabbel-Gym ist eine ideale Möglichkeit, die bestehende Infrastruktur auszulasten und zugleich auch den Kindersport zu positionieren», so Kuoni und ergänzt: «Die Bewegungslandschaft steht mit der Trainingshalle ja bereits. Deshalb ist es ideal, etwas zu bieten, was eine normale Turnhalle mit ihrer Einrichtung nicht ermöglichen kann.»
Christof Kuoni geht sogar so weit, dass er das Krabbel-Gym-Angebot allen fixen Trainingszentren wärmstens empfiehlt. Wie wichtig das Krabbel-Gym für die Institutionen ist, zeigt sich nicht nur in Mels. Hier wurden einzelne Turngeräte speziell dafür angeschafft und in Liestal wird die Krabbel-Landschaft in der Halle jedes Mal anders aufgebaut. «So bieten wir den Kindern immer wieder etwas Neues, das sie erkunden und ausprobieren können», sagt Thomas Rutishauser.

Ergänzung statt Konkurrenz
Die Entwicklung des Krabbel-Gyms, das sich in der Regel an Kinder im Muki-Turnen-Alter richtet, beobachtet man auch beim Schweizerischen Turnverband (STV) seit längerer Zeit mit Interesse. «Wir sehen, dass die Resonanz an diesem Angebot schweizweit sehr gross ist und auch rege genutzt wird», sagt Patrick Wyss, Ressortchef Kinder- und Jugendsport beim STV. Von einer Konkurrenz zum Muki-Angebot möchte Wyss beim Krabbel-Gym aber nicht sprechen. Auch wenn es einzelne Stimmen gebe, die es so sehen würden.
«Für mich ist das Krabbel-Gym vielmehr eine gute Ergänzung, weil es doch in vielen Hinsichten anders aufgebaut ist», so Wyss weiter. Gerade weil es in einer überdachten Anlage stattfindet, sei es ein sehr attraktiver Spielplatz für die Kinder. Anders als beim Krabbel-Gym, bei dem die motorische Entwicklung aber eher aus Zufall gefördert wird, werden im Muki-Turnen die körperliche, soziale und sprachliche Entwicklung bewusst und gezielt gefördert. Auch die Verantwortlichen der Trainingszentren sehen in ihrem Angebot keineswegs eine Konkurrenz zum Muki-Turnen. «Das Muki-Turnen ist strukturierter und die Trainings sind sauber organisiert. Im Krabbel-Gym findet hingegen alles flexibel statt. Wir sehen es eher als Zusatzangebot», so Christof Kuoni vom Turnwerk Südostschweiz.

Gegenseitig profitieren
Thomas Rutishauser ergänzt: «Wir achten sogar sehr darauf, dass wir nicht als Konkurrenzangebot wahrgenommen werden.» Dass dies in der breiten Bevölkerung auch nicht so gesehen wird, zeigen die konstanten Zahlen im Muki-Turnen in den vergangenen Jahren, welche bei rund 20 000 Kindern liegen. «Um die Entwicklung des Kindes zu stärken, empfiehlt sich der regelmässige Muki-Besuch. Gerade auch deshalb, weil sich das Kind in den wöchentlichen Trainings weiterentwickeln kann», sagt Wyss und ergänzt, dass das Krabbel-Gym wegen der Unverbindlichkeit des Angebotes ein wichtiges Puzzlestück in der Entwicklung des künftigen Turnnachwuchses ist.
Er sieht beim Krabbel-Gym für jene Eltern, die weniger Berührungspunkte zum Turnen haben, eine tiefere Hemmschwelle, mit dem Turnsport erstmals in Kontakt zu kommen. In dieser Hinsicht könnten letztlich gar das Muki-Turnen und das Krabbel-Gym gegenseitig voneinander profitieren und so auch in Zukunft für strahlende Gesichter und lachende Kinder in den Hallen sorgen. Sei es in einem regionalen Leistungszentrum oder in der örtlichen Dorfturnhalle.

Text: Thomas Ditzler
Fotos: zvg

Bildlegende ganz oben: Im Krabbel-Gym können die Jüngsten auf eigene Faust in die Turn-Welt eintauchen.

Diesen Beitrag findet ihr auch im GYMlive 5/2020 (erscheint am 8. Oktober).

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