Teufen turnt trotzdem

  • 23. Juli 2021

  • Thomas Ditzler

  • Thomas Ditzler/Lorenz Reifler

  • Diesen Beitrag findet ihr auch im GYMlive 3/2021.

Es war ein trister Turnsommer. Ein erneuter Sommer ohne Turnfeste. Nicht ganz. Während schweizweit alle geplanten Turnfeste für 2021 abgesagt wurden, hat man im Appenzellerland an einer Mini-Variante festgehalten. Hat sich der Aufwand gelohnt? GYMlive hat in Teufen Mitte Juni Turnfest-Luft geschnuppert.

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Ständig wechselnde Massnahmen und laufende Anpassungen der Schutzkonzepte. Die Planung eines Wettkampfes hat in den vergangenen Wochen die verschiedenen Organisationskomitees vor grosse Herausforderungen gestellt. Für manche waren diese derart gross, dass man sich gezwungen sah, klein beizugeben. Nicht aber im Appenzellerland. Das OK des Appenzeller Kantonalturnfestes in Teufen hielt nach der Verschiebung von 2020 auf 2021 an seinem Plan fest und wurde für den Durchhaltewillen Ende Juni 2021 mit dem einzigen durchgeführten Turnfest in der Schweiz belohnt – wenn auch letztlich nur mit einer Mini-Variante.

Unserer Jugend wollten wir diese Wettkampfmöglichkeit bieten.
Bruno Höhener OK-Präsident

Der Schein trügt

Auf den ersten Blick scheint am Wochenende vom 19. und 20. Juni in Teufen alles wie an einem gewöhnlichen Turnfest. Zwischen den verschiedenen Wettkampfanlagen tummeln sich zahlreiche Turnende. Da und dort weht eine Vereinsfahne im Wind. Durch die Lautsprecheranlagen ertönen die Bestresultate, während im Verpflegungszelt der Duft von frischen Pommes und Bratwürsten das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Dank den kräftigen Sonnenstrahlen wähnt man sich zurückversetzt an vergangene Turnfestzeiten.

Bei genauerem Betrachten fallen jedoch Dinge auf, die einem auf den Boden der derzeitigen Realität holen. Das Stopp-Schild vor der Sportanlage macht beispielsweise deutlich, dass das Betreten der Anlage nur einem auserwählten Kreis gewährt wird – Publikum ist nicht erlaubt. Auf dem ganzen Gelände herrscht Maskenpflicht, sofern man nicht direkt in den Wettkampf involviert ist. Die zahlreichen Desinfektionsspender machen aufmerksam, dass die Hände von Zeit zu Zeit gereinigt werden sollten. So sieht Turnfeststimmung in Zeiten von Corona aus.

Lange an normales Fest geglaubt

Dass man in Teufen nach der Verschiebung und der Redimensionierung des Angebots auf nur noch Nachwuchs-Wettkämpfe dennoch am Turnfest festgehalten hat, habe mitunter mit dem Turnfest-Zyklus zu tun gehabt, sagt Bruno Höhener, OK-Präsident und Präsident des TV Teufen. Im Appenzellerland findet nur alle sechs Jahre ein Turnfest statt. «Eine erneute Verschiebung wäre wegen dem Schulhaus-Neubau in Teufen zudem nicht möglich gewesen», so Höhener weiter. Im Kern-OK sei man deshalb bestrebt gewesen, wenn immer machbar, ein Turnfest zu organisieren. «Wir sind auch lange davon ausgegangen, dass ein ‹normales Fest› 2021 möglich wäre», sagt Höhener. Als im März aber Öffnungsschritte erst für mögliche Jugendwettkämpfe bekanntgegeben wurde, habe man sich schon die Frage gestellt, «wie weiter?» «Der Entscheid, wenigstens an der Mini-Turnfest-Variante für den Nachwuchs festzuhalten, fiel aber praktisch einstimmig», blickt der OK-Präsident zurück.

Jetzt oder Nie

Doch wie erklärt sich Höhener, dass seine Appenzeller die einzigen sind, die in diesem Sommer an einer Turnfest-Variante festgehalten haben? «Wir waren im vergangenen Jahr vielleicht etwas stur, dass wir bis zuletzt an eine Durchführung geglaubt hatten und dann in die Knie gezwungen wurden», sagt er. Im Gegenzug habe man in diesem Jahr als erste Organisatoren mit einer Redimensionierung geplant. Später wurden alle anderen Turnfeste 2021 abgesagt. «Wir sind ein kleiner Verband. Bei uns findet nur alle sechs Jahre ein Turnfest statt und da wollten wir gerade unserer Jugend eine Plattform bieten», sagt Bruno Höhener. Während andere Turnfest-OKs die Möglichkeit der Verschiebung hätten, wäre dies in Teufen wegen dem angetönten Schulhaus-Bau nicht mehr möglich gewesen. Es stellte sich zudem die Frage, «wieso alles streichen, wenn ein Teil dennoch organisierbar wäre?» Letztlich sei es auch ein «Jetzt oder Nie»-Entscheid gewesen, ergänzt Höhener.

Den Entscheid, am Mini-Fest festzuhalten und dieses durchzuführen, hat Höhener keineswegs bereut. Auch wenn mit den fehlenden Zuschauerinnen und Zuschauern nicht nur die Stimmung, sondern auch die Kasse leidet. «Natürlich schmerzt es, dass wir kein Publikum haben», sagt er und blickt etwas wehmütig Richtung Rundbahn, auf der sich gerade die 800-Meter-Läuferinnen für ihren Start bereit machen. «Aber», so Höhener, «ob sich der Aufwand mit Publikum auch tatsächlich gelohnt hätte, ist schwer abschätzbar.» Zumal es unter den geltenden Richtlinien eine zusätzliche Herausforderung gewesen wäre, die Festbesuchenden im Griff zu haben.

Wir trauern keineswegs jenem nach, was nicht möglich war.
Bruno Höhener OK-Präsident

Freude an dem, was man hat

Doch wie fällt sein Fazit bezüglich Turnfest-Stimmung aus? «Das eigentliche Turnfest war bei uns seit der Redimensionierung im März eigentlich Geschichte», sagt er. Auch wenn das OK mehrheitlich noch dasselbe sei und man sich wettkampfmässig einzig auf das erste Wochenende, einfach ohne Aktive, konzentriert hat. «Ein Turnfest, so wie man es sich gewohnt ist, wäre nicht möglich gewesen», relativiert der OK-Präsident und ergänzt viel mehr: «Wir freuen uns an dem, was wir den Turnenden bieten konnten und trauern keineswegs jenem nach, was nicht möglich war.»

Und dass dies doch einiges ist, zeigen am Wochenende die zahlreichen strahlenden Kinderaugen, welche einerseits ihren Jugend-, Turn- oder Leichtathletikmehrkampf oder im Geräteturnen auf den verschiedenen Anlagen rund um die Sporthalle Landhaus ihren Wettkampf absolvieren. An beiden Tagen kämpfen rund 800 Nachwuchsturnende in Teufen um eine Bestnote, während rund 140 Helferinnen und Helfer, sowie 70 Kampfrichterinnen und Kampfrichter dafür sorgen, dass alles reibungslos abläuft.

Schaden in Grenzen halten

Dass in der jetzigen Situation eine Organisation aus finanzieller Sicht keineswegs rentabel ist, ist verständlich, denn «den Aufwand hatten wir ja sowieso», sagt Höhener. Dank des Covid-Fonds habe man wenigstens eine gewisse Sicherheit, dass kein grosser finanzieller Schaden entstehe. Das ständige Reduzieren sei für die Planung im Vorfeld aber nicht einfach gewesen. «Wir mussten uns einfach immer wieder bewusstwerden, dass wir nicht mehr mit dem grossen Turnfest planen können», sagt Höhener und ergänzt: «Dass wir uns eine mögliche Gewinn-Ausschüttung ans Bein streichen können, war früh klar.» Darum sei es dem Organisationskomitee aber auch gar nicht primär gegangen: «Wenn ich über die Wettkampfanlagen schaue, bin ich zufrieden, dass wir uns für das Turnfest ausgesprochen haben. Die Stimmung ist gut, das Wetter spielt auch mit und die Leute sind zufrieden.» Jenem nachtrauern, was man nicht hatte, wäre an diesem Wochenende völlig fehl am Platz gewesen. Zu gross war in Teufen letztendlich die Freude darüber, was man in dieser schwierigen Situation realisieren konnte. So durfte wenigstens ein kleiner Teil der Turnschweiz 2021 einen Turnfest-Sommer erleben.

Interview

Christian Giger, Präsident Appenzellischer Turnverband

Möglich gemacht

Christian Giger, mit dem Appenzeller Kantonalturnfest ist ein Stück Turnalltag zurückgekehrt. Wie lautet dein Fazit?

Christian Giger: Wenn wir auf den Sportanlagen in Teufen herumgeschaut haben, bestätigt es den OK-Entscheid, aus dem eigentlichen Turnfest, einen Nachwuchs-Wettkampf zu machen. Gerade in der Leichtathletik konnten wir viele sportliche Höhepunkte erleben. Während des gesamten Wochenendes entdeckte ich viele lachende Kindergesichter. Es war richtig, dass wir bis zum Schluss an unserem Plan festgehalten und jene Wettkämpfe durchgeführt haben, die möglich waren.
 

Dennoch war es ein Turnfest ohne Zuschauer. Überwiegt nun die Freude, dass der Wettkampf hat stattfinden können oder das Nachtrauern der gewohnten Turnfest-Stimmung?

Das OK hat das Möglichste möglich gemacht. Allein das ist schon eine grosse Leistung von allen Beteiligten. Viele Hürden wurden überwunden und Rückschläge in Kauf genommen. Aus diesem Grund muss die Freude überwiegen.
 

Wie wichtig war die Durchführung des Turnfestes aus Sicht des Appenzellischen Turnverbandes?

Sehr wichtig. So konnten wir im Appenzellerland zeigen, dass der Sport unter sicheren Umständen durchgeführt werden. Wir haben den richtigen Weg eingeschlagen. Ich hoffe, dass es uns viele Organisatoren gleichtun, sodass in den kommenden Wochen wieder viele Wettkämpfe stattfinden werden.

Christian Giger

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