Im Wechselbad der Gefühle

  • 5. Mai 2021

  • Alexandra Herzog

  • Martin Froehlich

  • erschienen im GYMlive 2/2021

Von den Europameisterschaften Kunstturnen vom 21. bis 25. April 2021 in Basel wird noch lange gesprochen werden. Nicht nur, weil sie wegen Corona unter ganz speziellen Umständen stattfanden. Auch, weil das OK perfekte Bedingungen geschaffen hatte und die einheimischen Athleten ausserordentliche Leistungen zeigten.

– Anzeige –

Wer die Arena der St. Jakobshalle während den EM-Tagen betrat, tauchte in eine andere Welt ein. Mit den strahlenden Lichteffekten, der grossen, rotleuchtenden Anzeigetafel sowie den vier riesigen EM-Plakate in Grün, Gelb, Rot und Blau war alles für ein mitreissendes Turnspektakel hergerichtet. Hätte da nicht das Publikum gefehlt, wären die Kunstturn-Europameisterschaften 2021 in Basel zu Schweizer Festspielen geworden. Zumal es an sportlichen Erfolgen nicht fehlte: Sprung-Gold für Giulia Steingruber, Boden-Silber für Benjamin Gischard, Barren-Bronze für Christian Baumann und Rang 5 im Mehrkampf für Pablo Brägger. Mit diesen Resultaten schreiben diese vier Athleten die Schweizer Sportgeschichte weiter:

  • Brägger: bestes EM-Mehrkampf-Resultat seit Ernst Fivian 1959 in Kopenhagen
  • Gischard: die erst zweite Boden-Medaille für die Schweiz (1959 Gold von Ernst Fivian)
  • Baumann: erster Schweizer Turner, der am Barren bereits zweimal eine Medaille gewinnen konnte (Silber in Montpellier 2015, Bronze in Basel 2021).
  • Steingruber: Vierter Europameistertitel am Sprung und der sechste insgesamt

Eine besonders bittere Pille

Insgesamt standen für das Schweizer Team nach der Qualifikation zehn Finalplätze zu Buche. Damit konnten die Schweizer Turnenden die gesetzten Ziele weitestgehend erfüllen oder übertreffen. Giulia Steingruber musste aber wegen einer Verletzung am Ende auf den Start im Mehrkampf- und Bodenfinal verzichten.

Ein grosser Trumpf stach aber leider nicht: Pablo Brägger am Reck. Spätestens als er aus der Qualifikation als Zweitplatzierter hervorging, sahen ihn viele schon als neuen Europameister. Je grösser die Erwartung, um so grösser auch die Enttäuschung, wenn sie nicht erfüllt wird. Im Final bekam der 28-Jährige nach einem Flugelement die Stange nicht richtig zu greifen und musste die Übung unterbrechen. Dieser Sturz kostete ihn vermutlich die Goldmedaille. Speziell für Pablo Brägger, der in Basel seine letzten Europameisterschaften bestritt, eine sehr bittere Pille.

Gelungene EM-Premieren

Im Gegensatz zu Brägger, Steingruber und Co., waren mit Lilli Habisreutinger (16), Andrin Frey (20) und Marco Pfyl (23) in Basel einige international noch unbekannte Namen mit im Schweizer Team. Die Betonung liegt auf «noch», denn die drei EM-Debütanten präsentierten sich vielversprechend. Allen voran der Zürcher Marco Pfyl, welcher sich sowohl am Barren (8.) als auch am Reck (6.) eigentlich für den Final qualifiziert hätte. Ja, richtig gelesen «hätte». Aber die Nationenregel gibt vor, dass pro Final nur zwei Turner aus demselben Land starten dürfen. Weil Pablo Brägger und Christian Baumann vor ihm klassiert waren, zog Pfyl den Kürzeren. «Das ist blöd gelaufen, aber ich bin trotzdem zufrieden», sah dieser es aber gelassen. Der Steffisburger Frey bewies mit dem 15. Platz am Boden (von 97 Klassierten) und dem 20. Rang am Sprung (trotz Sturz), dass er ebenfalls das Potential besitzt, vorne mitzumischen.

Und auch die Jüngste im Schweizer Team, Lilli Habisreutinger, konnte sich an ihrer EM-Premiere empfehlen. Sie klassierte sich als zweitbeste Schweizerin auf Rang 45 (von 84 Turnerinnen) und wurde am Sprung gute 13. «Ich nehme sehr viele gute Erfahrungen für zukünftige Wettkämpfe mit und werde nun auch meine Unsicherheit Schritt für Schritt ablegen können», so die Frauenfelderin.

Ich nehme sehr viele gute Erfahrungen für zukünftige Wettkämpfe mit.
Lilli Habisreutinger EM-Debütantin

Licht und Schatten

Wer die Schweizer Leistungen der EM 2021 im Hinblick auf die Zukunft betrachtet, sieht Licht, aber auch Schatten. Während bei den Männern einige junge Schweizer Athleten im Köcher sind, um auch weiterhin ein konkurrenzfähiges Team stellen zu können, sieht es bei den Turnerinnen weniger rosig aus. Hier wird nach Giulia Steingruber vermutlich eine ziemliche Durststrecke zu überstehen sein.

Die EM Basel in Zahlen

  • 21. – 25. April 2021 St. Jakobshalle in Basel
  • Budget: 4 Millionen
  • Anzahl Nationen: 38
  • Total Turnende: 270
  • Anzahl Medaillensätze: 12
  • Auszeichnungen für die Schweiz: 3 Medaillen (1 x Gold, 1 x Silber, 1 x Bronze), 4 Diplome
  • Erfolgreichste Nation: Russland mit 13 Medaillen

Platin Partner

Gold Partner

Silber Partner

Bronze Partner

SCHLIESSEN