Die Entscheidung zugunsten Ariella Kaeslins im Mehrfkampf fiel am Schwebebalken, nachdem sie in den ersten zwei Disziplinen (Sprung, Stufenbarren) nur 0,15 Punkte Vorsprung auf Danielle Englert (21) herausgeholt hatte. Dank ihrer hochklassigen Balkenübung (Ausgangswert 6,80, Endnote 14,95) lag Kaeslin nach drei Disziplinen – trotz Sturz beim Salto mit halber Drehung – praktisch uneinholbar in Front. 6,80 bedeuten Rekord für sie, an der WM nur viermal übertroffen. „Weshalb es 6,80 und nicht 6,70 gab, weiss ich nicht. Wahrscheinlich hat man irgendeinen Sprung gestreckt anstatt gebückt angerechnet“, sagte die Luzernerin.
Im abschliessenden Bodenturnen wurde Danielle Englert (13,05) von Linda Stämpfli (19-jährig, 13,85) noch um einen Zehntel überholt. Für Linda ging damit eine lange Durststrecke zu Ende, denn sie hatte wegen schwachen Leistungen im Sommer, zurückzuführen auf einige Verletzungen, die WM verpasst. Kaeslin gewann mit 2,90 Punkten Vorsprung überlegen. 2006 waren es 3,00 Punkte – ebenfalls vor Stämpfli.
Vierte wurde die erst 13-jährige Aagauerin Jessica Diacci noch vor den WM-Turnerinnen Lucia Tacchelli und Sylvia Hitz. Nicht gestartet waren Yasmin Zimmermann (Rückenprobleme) und Laura Alzina (Oberschenkelzerrung) sowie die vom Spitzensport zurückgetretene Margaux Voillat (16).
Capellis einsames Solo
Bei den Männern ging Claudio Capelli im Bodenturnen (15,45) vor Niki Böschenstein (15,15) in Führung. Zwischen diesen beiden Turnern, an den letzten vier Meisterschaften im Mehrkampf siegreich, hatte man einen Zweikampf erwartet. Am Pferd baute Capelli seinen Vorsprung erwartungsgemäss aus, worauf an den Ringen eine Vorentscheidung fiel: Böschenstein beging grobe Haltungsfehler und fiel auf den fünften Zwischenrang zurück.
Beim Sprung standen beide ihren Roche (je 15,95). Am Barren schnitzerte, auf Platz zwei liegend, Mark Ramseier (14,30), den Böschenstein dank der Höchstnote (15,55) zurückeroberte. Trotz eines Sturzes beim Tkatschew am Reck konnte Böschenstein den zweiten Platz halten, weil die direkten Rivalen Ramseier und Dennis Mannhart (21) ein leichteres Programm präsentierten. Capelli hingegen bestätigte sich als zuverlässiger Allrounder, der mit 14,10 das beachtliche Total von 90,00 erreicht, 2,20 vor Böschenstein.
Die insgesamt schwierigsten Übungen turnte der drittplatzierte Ramseier (Total der A-Noten 36,1, Capelli 35,0, Böschenstein 34,8). Dahinter folgten punktgleich (87,00) mit Dennis Mannhart und dem ausgeglichenen Roman Gisi (22) zwei weitere WM-Turner.
Nicht dabei waren die WM-Teilnehmer Danny Groves (Fussoperation) und Claude-Alain Porchet (Schulteroperation) sowie die „Oldies“ Andreas Schweizer und Roger Sager, beide rekonvaleszent.
Kaeslins Solo in den Gerätefinals
Ariella Kaeslin bestätigte ihre Konstanz auf hohem Niveau in den Gerätefinals vom Sonntag. Sie gewann alle vier Titel, was seit dem Jahre 2000 (Yanick Salzmann fünfmal Gold) keiner Turnerin mehr gelungen war. Mit zwei Bronzemedaillen (Sprung und Boden) bestätigte die 13-jähige St. Gallerin Gulia Steingruber ihr grosses Talent.
Bei den Männern gewann Mark Ramseier erstmals an den Ringen (nach zweimal Gold am Pferd). Roman Gisi (Pauschenpferd). Dennis Mannhart (Barren) und Manuel Rickli (Reck) wurden erstmals Schweizer Meister.
Am meisten Beachtung aller Finalisten fand der Genfer Patrick Dominguez (23), der im Frühling das Nationalkader verlassen musste. Er arbeitet im Moment im Leistungszentrum Luzern als Teilzeittrainer und brachte sich selbst in Form. Im Bodenturnen reichte es nach einem Sturz am Schluss beim Tsukahara nicht für die Finalqualifikation. Er beherrscht die schwierigen Salto-vorwärts-Kombinationen aber immer noch. Beim Sprung brachte er seine 6,20-Sprünge viermal in den Stand (Qualifikation und Final). Mit 0,075 Punkten Vorsprung gewann er Gold vor Capelli und meldete damit seine Ambitionen für eine Wiederaufnahme ins Kader an.
Christoph Schärer startete nur am Pferd (Bronze) und am Reck. Seine neue, schwierigere Übung gelang noch nicht nach Wunsch (vierter Platz).
Erwin Hänggi, Medienverantwortlicher Kunstturnen STV
Männer. Sechskampf: 1. Claudio Capelli (Bern) 90,00 (Boden 14,45, Pauschenpferd 14,70, Ringe 14,60, Sprung 15,95, Barren 15,20, Reck 14,10). 2. Niki Böschenstein (Neuenhof) 87,80 (15,15, 13,80, 14,15, 15,95, 15,50, 13,20). 3. Mark Ramseier (Teufenthal) 87,35 (14,95, 13,85, 15,25, 15,50, 14,30, 13,50). 4. Dennis Mannhart (Neuhausen) 87,00. 5. Roman Gisi (Seltisberg) 87,00. 6. Manuel Rickli (Biberist) 86,25. 7. Reto Heierli (Wigoltingen) 85,10. 8. Nils Haller (Solothurn) 83,35. 9. Roland Häuptli (Lenzburg) 83,10. 10. Pascal Bucher (Wehntal) 81,80. -- Ferner 23. Patrick Dominguez (Genf) 55,80 (nur vier Geräte, Finalist im Sprung). 26. Christoph Schärer (Zäziwil) 28,20 (nur zwei Geräte, Finalist am Reck).
Gerätefinals. Boden: 1. Capelli 15,10. 2. Böschenstein 13,95. 3. Ramseier 13,85. 4. Mannhart 13,60. 5. Rickli (Biberist) 13,50. 6. Gisi 12,45.
Pauschenpferd: 1. Gisi 14,20. 2. Mannhart 13,95. 3. Schärer 13,65. 4. Capelli 13,50. 5. Heierli 13,55. 6. Haller 12,60.
Ringe: 1. Ramseier 15,30. 2. Capelli 14,90. 3. Mannhart 14,65. 4. Gisi 14,40. 5. Böschenstein 14,35. 6. Heierli 14,15.
Sprung: 1. Dominguez (Genf) 15,70. 2. Capelli 15,625. 3. Mannhart 15,525. 4. Böschenstein 15,40. 5. Rickli 15,325. 6. Ismael Wermuth (Wolfwil) 15,10.
Barren: 1. Mannhart 15,20. 2. Capelli 15,15. 3. Rickli 14,80. 4. Häuptli 14,80. 5. Louis Thomann (Luzern, Amateur) 14,50. 6. Böschenstein 13,90.
Reck: 1. Rickli (Biberist) 14,40. 2. Capelli 14,25. 3. Heierli 14,05. 4. Schärer 13,85. 5. Gisi 13,60. 6. Thomann 12,15.
Frauen. Vierkampf. Elite: 1. Ariella Kaeslin (Luzern) 56,40 (Sprung 13,95, Stufenbarren 14,25, Schwebebalken 14,95, Boden 13,30). 2. Linda Stämpfli (Urdorf) 53,55 (Schwebebalken 14,30). 3. Danielle Englert (Horgen) 53,45 (Stufenbarren 14,55). 4. Jessica Diacci (Obersiggenthal) 52,95. 5. Lucia Tacchelli (Giubiasco) 51,55. 6. Sylvia Hitz (Rüti) 50,900. 7. Giulia Steingruber (Gossau) 50,25. 8. Jennifer Senn (Stein) 50,20. 9. Natascha Küsterling (Stein) 49,65.
Gerätefinal. Sprung: 1. Kaeslin 14,25. 2. Englert 13,975. 3. Steingruber 13,40. 4. Fanny Leimgruber (Freiburg) 13,025. 5. Stämpfli 12,80. 6. Senn 12,60.
Stufenbarren: 1. Kaeslin (Luzern) 14,20. 2. Tacchelli (Giubiasco) 14,00. 3. Englert 13,50. 4. Stämpfli 13,15. 5. Senn 12,90. 6. Diacci 11,10.
Schwebebalken: 1. Kaeslin (Luzern) 14,25. 2. Hitz 13,70. 3. Stämpfli 13,65. 4. Englert 13,45. 5. Küsterling 13,10. 6. Diacci 12,450.
Boden: 1. Kaeslin 14,35. 2. Diacci 13,95. 3. Steingruber 13,35. 4. Englert 13,30. 5. Stämpfli 12,45. 6. Hitz 12,00