Polarisierende Disziplinen im Aufwind
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Polarisierende Disziplinen im Aufwind

Thomas Ditzler/Alexandra Herzog

Früher oft belächelt, haben sich die Fachteste und der Fit+Fun im letzten Jahrzehnt zur Turnfest-Disziplin schlechthin gemausert. An den elf Turnfesten, die diesen Sommer stattfanden, waren alleine in den Fachtesten 12649 Turnende am Start. Sie sind an den Turnfesten kaum mehr wegzudenken.

An ihnen führt an einem Turnfest kein Weg vorbei. Wer in einem Turnverein mitturnt, kommt früher oder später in seiner Karriere in die Berührung mit den Fachtesten. Ob Allround, Korbball, Volleyball oder Unihockey, diese Disziplinen polarisieren und sind im Turnfest-Programm nicht mehr wegzudenken. So absolvierten beispielsweise am letzten «Eidgenössischen» 2019 in Aarau insgesamt 13722 Turnende diese Disziplin. «Vor allem beim Allround sind die Teilnahmezahlen seit 2008 stark gestiegen», bestätigt Tiziana Hämmerli, Ressortchefin Fachteste.

In ihrem Übungsablauf verlangen die Fachteste den Turnenden verschiedene Fähigkeiten ab. So sind Koordination, Kondition, Differenzierung, Rhythmisierung und Orientierung mitentscheidend für eine hohe Punktzahl. Trotz der Vielseitigkeit und der grossen Teilnahmezahlen, die Fachteste kämpfen in der Turnfamilie stets um Akzeptanz. «Früher hiess es oft, wer eine gute Note erzielen wolle, müsse einfach Fachteste machen», weiss Daniel Tuchschmid. Die Zeiten, in denen Fachteste und Fit+Fun aus Spass und ohne zahlreiche Trainingseinheiten gespielt werden konnten, seien längst vorbei, sagt der Verantwortliche für sämtliche Fachtest-, Fit+Fun- und Jugendparcours-Wertungstabellen und stellvertretender Ressortchef Fit+Fun: «Für eine gute Note muss heute mehr investiert werden. Ohne grossen Trainingsaufwand ist dies nicht mehr möglich. Die Fachteste sind agiler und schneller geworden.»

Daniel Tuchschmid

Früher hiess es oft, wer eine gute Note erzielen wolle, müsse einfach Fachteste machen.

Bei den Fachtesten gehe es auch darum, eine gute Alternative zu den bewährten Turn-Disziplinen zu schaffen, so Tuchschmid. Ähnlich tönt es von Elias Fürst, Oberturner des TV Gunzgen und stellvertretend für die fachtest-absolvierenden Vereine. «Wir haben in unserem Verein weder Geräte- noch Gymnastikturnende. Die Fachteste sind der gängigste Weg, um an einem Turnfest im Vereinswettkampf teilzunehmen», sagt er.

Die Anfänge dieser Turnfest-Disziplin gehen bis in die 1970-Jahre zurück. Einst wurden die Fachteste, die zu Beginn nur von Turnerinnen wettkampfmässig ausgeübt wurden, vom männlichen Geschlecht noch belächelt. Es dauerte bis ins Jahr 2002, ehe die Fachteste Allround, Korbball und Volleyball auch bei den Turnern an einem Eidgenössischen Turnfest ausgetragen wurden. Bei den Frauen feierte der Fachtest Allround bereits 1991 in Luzern seine ETF-Premiere. Seit 2015 steht mit dem Fachtest Unihockey die jüngste Disziplin im Turnfest-Angebot.

Als ähnlicher Turn-Klassiker gilt der Fit+Fun. Dieser wurde einst auf der Basis der Fachteste entwickelt und richtet sich an die ältere Turngeneration. Er hat die Nachfolge des einstigen «FitPlaFrau» angetreten, der in den 80er-Jahren von den Frauen geturnt wurde. «Es war uns ein Anliegen eine Disziplin zu konzipieren, die in verschiedenen Altersklassen durchgezogen werden kann», blickt Rosmarie Mancini auf die Entstehungsgeschichte von Fit+Fun zurück. Mancini war als ehemalige Verantwortliche Fachtest Allround und ehemalige Leiterin Fachgruppe Fit+Fun eine Frau der ersten Stunde, was die Fachteste und den Fit+Fun betrifft.

Bei der Entwicklung der Fachteste lag das Augenmerk auch darauf, Material zu verwenden, welches bereits in einer Turnhalle vorhanden ist. «Zudem wollten wir die verschiedenen Aufgaben möglichst auf den gleichen Spielfeldern aufbauen, damit Zeitaufwand und Platzbedarf in Grenzen gehalten werden konnte», so Mancini weiter. Ein Pluspunkt, der auch Gunzgen-Oberturner Fürst anspricht: «Um die Fachteste zu absolvieren, braucht es wenig Vorbereitungsarbeit für die Trainings. Das ist ein grosser Vorteil.»

Im Hinblick auf das ETF 2013 in Biel wurde Fit+Fun mit sechs neuen Aufgaben an die Fachteste angepasst. «Alle haben damals ihre Ideen eingebracht. Es wurde ausprobiert, gespielt und optimiert», erzählt Rosmarie Mancini. Während einige Aufgaben auf einem Spielbrett «trocken» durchgespielt wurden, mussten andere Übungen in einer Turnhalle gespielt werden, damit die Abläufe richtig notiert werden konnten.

Hildegard Berlincourt

Fit+Fun hat sich vom Baby zum Erwachsenen entwickelt.

Auch heute werden die neuen Aufgaben durch das Ressort Fachteste erstellt. In der Regel werden die Aufgaben im ETF-Zyklus alle sechs Jahre angepasst. In der Entwicklungsphase werden die neuen Übungen von Vereinen für Testzwecke ausprobiert und durchgespielt. «Diese Phase ist wichtig, weil die Fachtest-Erfinder meistens bereits ballgewandt sind. Diese Voraussetzungen sind aber nicht in allen Riegen gegeben», sagt Mancini. Stehen die Aufgaben dann einmal fest und wurden abgesegnet, werden diese durch die kantonalen Ausbildungspersonen an die Vereine weitervermittelt.

Nicht nur bei den Fachtesten, sondern auch im Fit+Fun konnte in den vergangenen zehn Jahren ein Interessen-Anstieg verzeichnet werden. «Fit+Fun hat sich vom Baby zum Erwachsenen entwickelt», sagt Hildegard Berlincourt, Ressortchefin Fit+Fun. Zu Beginn sei der Fit+Fun von den Vereinen meistens nebenbei gespielt worden. «Heute ist Fit+Fun eine vollwertige Vereinswettkampf-Disziplin», freut sich Berlincourt.

Sowohl die Fachteste aber auch der Fit+Fun werden derzeit vorwiegend von den Turnvereinen in der Deutschschweiz absolviert. Dies soll sich im Hinblick auf das kommende Eidgenössische Turnfest 2025 in Lausanne jedoch ändern. Wie an der Konferenz Sport des Schweizerischen Turnverbandes im Frühling kommuniziert wurde, ist es ein grosses Anliegen, dass diese Disziplinen auch in der Westschweiz vermehrt Fuss fassen und gefördert werden. Diesbezüglich wird gemeinsam mit der URG (Union Romande de Gymnastique) ein Pilotprojekt lanciert. Damit soll der Aufwärtstrend des Turnfest-Klassikers weitere Jahre anhalten.

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