In der Regel stehen Trainer*innen und Funktionär*innen im Fokus von Meldungen wegen eines Verdachts einer möglichen Verletzung von Bestimmungen des Ethik-Statuts des Schweizer Sports. Es tauchen aber auch immer wieder Konflikte zwischen Vereins- oder Verbandsverantwortlichen und Eltern von Athlet*innen auf, welche die Frage aufwerfen, ob nicht auch Eltern durch ihr Verhalten gegen Bestimmungen des Ethik-Status des Schweizer Sports verstossen können.
Im Ethik-Bulletin von Dezember 2022 handelte der Präsident der EK STV, Daniel Mägerle, diese Frage bereits ab. Er hielt dabei fest, dass Vereins- und Verbandsverantwortliche grundsätzlich unter gewissen Voraussetzungen die Möglichkeit hätten, gegen einen Elternteil Meldung bei Swiss Sport Integrity zu erstatten. Die Bestimmungen des Ethik-Statuts lassen darauf schliessen, dass dem zumindest für Eltern von Swiss Olympic-Card Inhaber*innen so ist. Als Ethikverstoss durch einen Elternteil kämen etwa die Verletzung der psychischen Integrität (etwa durch herabwürdigendes Verhalten oder entsprechende Äusserung gegenüber einer Trainerin oder einem Trainer, Ziff. 2.1.2 Abs. 3), ein unsportliches Verhalten (Ziff. 2.3) oder eine wissentlich falsche, offensichtlich unbegründete oder missbräuchliche Meldung (Ziff. 5.12 i.V.m. Ziff. 5.3 Abs. 3) in Frage.
Ebenfalls gibt es Situationen, in denen Eltern bei Meinungsverschiedenheiten mit Trainer*innen und Funktionär*innen die Contenance verlieren und dem Gegenüber mit einer Meldung an Swiss Sport Integrity drohen. Ein solcher Missbrauch ist nicht nur ethisch unwürdig, sondern schadet der «Sache Ethik» in einem nicht unrelevanten Masse.
Eine Meldung an SSI ist dann erforderlich, wenn ein Konflikt eskaliert ist. Im besseren Fall können die Vereins- und Verbandsverantwortlichen einen Konflikt frühzeitig lösen oder dafür sorgen, dass ein solcher gar nicht erst entsteht. Die EK STV empfiehlt diesbezüglich folgende Massnahmen:
- Erarbeiten eines Eltern-Kodex, in welchem die Einhaltung des Ethik-Statuts festgehalten wird und von Eltern unterzeichnet wird,
- gute Kommunikation und Transparenz mit den Eltern mit dem Ziel Eltern und Trainer als ein Betreuungsteam,
- frühzeitige Einbindung der Vereinsleitung bei schwierigen Situationen mit Eltern,
- niederschwellige Kontaktaufnahme und Klärung von Meinungsverschiedenheiten,
- Einbezug der EK STV oder des Bereiches Ethik & Recht zur Unterstützung bei komplexeren Sachverhalten.
Eltern haben zu Recht die Erwartung, dass die Bestimmungen des Ethik-Statuts im Schweizer Sport eingehalten werden, umgekehrt darf erwartet werden, dass auch die Eltern die Werte des Schweizer Sports im Sinne des Ethik-Statuts einhalten. Unzählige freiwillige und engagierte Trainer*innen und Funktionär*innen sind Woche für Woche für den Turnnachwuchs im Einsatz und ermöglichen den Kindern und Jugendlichen eine Freizeitbeschäftigung, sportliche Perspektiven und Erfahrungen, die sie ihr Leben lang prägen werden. Dieses freiwillige Engagement wird teilweise durch zusätzliche Herausforderungen wie Konflikte stark strapaziert. Gegenseitiger Respekt und Wertschätzung sind angebracht und wichtig. Dies schafft Vertrauen und ein positives Umfeld, nicht zuletzt auch für die Athlet*in, und hilft im Konfliktfall eine Lösung zu finden.