«Die Goldmedaille kam unerwartet», sagt Angelica Moser, angesprochen auf ihren jüngsten Erfolg an der Hallen-Europameisterschaften Anfang März in Torun. Mit 4,75 Meter verbesserte die Stabhochspringerin nicht nur ihre Bestleistung, sondern krönte sich auch zur Europameisterin. Mit Gold kennt sich die 23-Jährige bereits bestens aus. So holte die Andelfingerin nicht nur an den Olympischen Jugendspielen 2014 den Titel, sondern heimste bis 2019 weitere Goldmedaillen an Junioren-Grossanlässen ein.
Der EM-Titel von Torun hat aber eine spezielle Bedeutung - Mosers erster internationaler Triumph bei der Elite. «Diese Medaille zeigt mir, dass ich nicht nur beim Nachwuchs vorne mitspringen kann», sagt Moser, die sich selbst als Wettkampf-Typ bezeichnet. Es falle ihr einfacher die Leistung zu erbringen, wenn sie unter Druck stünde, wie sie sagt. Druck, den sie nach ihren Fehlversuchen an der EM auch in Torun verspürte und diesen dann in Edelmetall umwandeln konnte.
Diese Medaille zeigt mir, dass ich nicht nur beim Nachwuchs vorne mitspringen kann.
Ihre Karriere als Stabhochspringerin lancierte Angelica Moser vor rund acht Jahren. Bis dahin genoss mit dem Kunstturnen eine andere Sportart Priorität. «Irgendwann wurde die Doppelbelastung Kunstturnen und Leichtathletik zu gross», begründet Moser ihren Entscheid, auf die Karte Stabhochsprung zu setzen. Gerade weil sie im Kunstturnen nie einem Kader angehörte, kam eine Kunstturn-Karriere nicht in Frage. «Ich war bekannt dafür, dass ich schwierige Element turnen wollte, diese aber leider nicht immer sauber in der Ausführung waren», gibt Moser zu und lacht.
Diese Anekdote unterstreicht ihre Aussage, dass sie im Sport immer sehr ambitiös sei. «Mein Ziel war es stets, an internationalen Anlässen teilzunehmen. Zudem eignen sich meine körperlichen Voraussetzungen viel eher für den Stabhochsprung als fürs Kunstturnen», so die Zürcherin. Ihre sportliche Karriere hat sie auch ihrer Schwester zu verdanken: «Jasmine wechselte einst vom Turnen zum Stabhochsprung – und ich habe es ihr gleichgetan.» Stabhochsprung sei eine sehr vielseitige Sportart, sagt Moser. «Die Schnelligkeit beim Anlauf, die Sprungkraft beim Abspringen und die turnerischen Fähigkeiten in der Flugphase. Es muss vieles exakt zusammenpassen.»
Trotz all ihren Erfolgen in der Leichtathletik hat Angelica Moser die Verbindung zum Kunstturnen und zu ihrem Verein, der Turnfabrik Frauenfeld, nie verloren. Ganz im Gegenteil. Noch heute gehört die wöchentliche Kunstturn-Einheit fix zu ihrem Trainingsplan. «Das Kunstturnen hilft mir viel für den Stabhochsprung. Es gibt mir unter anderem das Körpergefühl, dass ich die Orientierung in der Luft nicht verliere», erklärt Moser. Dass sie 2018 an den Schweizer Meisterschaften (SM) im Kunstturnen in ihrer Heimat Frauenfeld mit Bronze bei den Amateurinnen gar auf dem Podest landete, zeigt, welches Potenzial auch in ihr als Kunstturnerin steckt. Dabei habe sie nur deshalb teilgenommen, weil ihr Verein die SM organisiert hat.
Man spürt im Gespräch mit Angelica Moser, welche Bedeutung die Turnfabrik nach wie vor für sie hat: «Ich pflege einen regen Austausch mit meiner Trainerin Daniela Zuber. Die Turnfabrik ist für mich auch wie eine Familie.» Der Ausgleich, welcher ihr das Kunstturnen neben den zahlreichen Stabhochsprung-Trainings biete, sei ihr vor allem auch für den Kopf wichtig. «Ich turne sehr gerne und es macht mir mega viel Spass, dass ich diese Sportart nebenbei weiterhin ausüben kann.»
Die Turnfabrik ist für mich wie eine Familie.
Der sportliche Fokus von Angelica Moser liegt aber klar auf dem Stabhochsprung und dort hat sie mit ihrem neuen Trainer Damien Inocencio, der auch schon Olympiasieger Renaud Lavillenie zum Höhenflug verhalf, einiges vor. Für ihre zweite Teilnahme an Olympischen Spielen strebt sie in Tokio einen Finalplatz an. «Eine Olympia-Medaille ist sicher ein Traum», sagt Moser, relativiert aber, dass sie sich dieses Ziel eher für Paris 2024 vornehmen werde.
Vorerst gelte ihr Augenmerk nach Torun in der Weiterentwicklung ihrer Sprunghöhe. Dass hierbei auch die Einstellung der Schweizer Rekorde ein Thema wird, versteht sich von selbst. Denn vom Gefühl des Fliegens kann die 23-Jährige nie genug kriegen – sei es mit dem Stab oder beim Kunstturnen.