FR

Die Verantwortung steigt stetig

  • 13. Juni 2020

Im Sommer 2000 wurden in der Schweiz 25 Turnfeste durchgeführt. 20 Jahre später standen nur noch deren acht auf dem Programm. Finden sich wirklich immer weniger Organisatoren oder handelt es sich nur um ein Zwischentief? Eine Spurensuche …

«Bald können wir die Turnfeste an einer Hand abzählen.» Das schrieb der damalige GYMlive-Redaktor Stephan Fischer 2001 in seinem Editorial. Er bezog sich dabei auf die immer grösseren Schwierigkeiten, Organisatoren für Anlässe wie diese zu finden. Glücklicherweise ist seine Befürchtung in den letzten 19 Jahren noch nicht eingetroffen. 2003 gingen 20, 2004 21 und im Jahr 2006 gar 25 Turnfeste über die Bühne. Sieht man sich jedoch die Zahlen an, stellt man fest, dass im letzten Jahrzehnt die Anzahl der jährlichen Turnfeste tatsächlich abgenommen hat. 2020 waren nur noch acht im Angebot (s. Seite 8–11). Die Vermutung, dass früher mehr, dafür eher kleinere Turnfeste durchgeführt wurden, bestätigt sich nicht. Beispielsweise waren von den 25 im Jahr 2006 acht kantonale Turnfeste mit insgesamt rund 35'000 Teilnehmenden (von den kleineren sind der Redaktion keine Zahlen bekannt). Die Beliebtheit von Turnfesten hat sich in den vergangenen 20 Jahren kaum geschmälert. Für die meisten Turnvereine steht jedes Jahr mindestens ein Turnfest auf dem Programm. An der Angst, zu wenig Festteilnehmende zu haben, kann es also kaum liegen, dass sich weniger Organisatoren finden lassen.

Entwicklung Turnfeste 2000 bis 2020

Keine Organisatoren gefunden
Während in einigen Kantonen wie Aargau, Baselland, Bern und Zürich praktisch jedes Jahr mindestens ein Turnfest stattfindet, wurde in anderen wie Tessin, Uri oder Zug schon längere Zeit nicht mehr oder noch überhaupt nie ein Fest durchgeführt. «Leider finden wir keinen Verein,der den Lead für ein Turnfest übernimmt. Wir haben in den Jahren 2014 bis 2016 versucht, ein OK zu finden – ohne Erfolg», bedauert die Urner Verbandspräsidentin Connie Gamma. Im Kanton Zug, wo letztmals 2008 ein Turnfest stattfand, liegen die Gründe tiefer. «Unser Verband stand vor vier Jahren fast vor dem Aus. Der Vorstand bestand nur noch aus drei Personen», erklärt Präsident Pascal Aregger. Mittlerweile habe der Verband durch eine Statutenänderung wieder auf Spur gebracht werden können. «Über eine mögliche Neuauflage eines Zuger Kantonalturnfestes haben wir bereits gesprochen. Aber die Umsetzung wird in den nächsten Jahren noch nicht erfolgen», so Aregger weiter.

Anzahl durchgeführte Turnfeste in den Kantonen

Zu anspruchsvoll
Im Tessin liegt das letzte Turnfest gar rund 30 Jahre zurück (1990 in Chiasso). Man fand die Organisation zu anspruchsvoll und konnte danach keinen Organisator mehr motivieren. Ausserdem fehlte die nötige Infrastruktur. So beschloss man im Tessin, keine Anlässe in dieser Form mehr durchzuführen. Es gab nur noch nach Disziplinen getrennte Wettkämpfe und diese wurden drinnen abgehalten. Dies bedauert Renata Loss Campana, Redaktorin der Tessiner Turnzeitschrift «Il Ginnasta»: «Es waren grossartige Veranstaltungen, bei denen praktisch alles draussen stattfand.» Den Tessiner Turnenden gefalle das jetzige Format mehr, da in der Halle die besseren Wettkampfbedingungen herrschen. «Dies steht etwas im Widerspruch zu der jeweils massiven Tessiner Beteiligung an den Eidgenössischen Turnfesten», so Loss Campana.

Anforderungen immer höher
Einer der Hauptgründe für die immer grösseren Schwierigkeiten, Turnfest-Organisatoren zu finden, sind sicherlich die gestiegenen Anforderungen in allen Bereichen – sei es in Logistik, Verkehr, Umwelt, Infrastruktur, Sicherheit und so weiter. Vor allem das Thema Sicherheit nimmt heutzutage grosse Ausmasse an. Fast jährlich kommt ein neuer Aspekt hinzu, den es zu berücksichtigen gilt. Spätestens seit den Stürmen am Eidgenössischen Turnfest 2013 in Biel überlegt sich jeder Organisator zweimal, ob er sich die grosse Verantwortung wirklich aufbürden will. Dieses Jahr kam mit der Corona-Krise eine Situation hinzu, über die sich bisher sicherlich noch kein OK Gedanken gemacht hatte. Das Turnfest aufgrund einer Pandemie absagen zu müssen, zog all den engagierten Organisatoren erstmal den Boden unter den Füssen weg. Bleibt zu hoffen, dass ein solches Szenario eine Ausnahme bleibt und sich in Zukunft weiterhin motivierte Vereine finden, die ein Turnfest organisieren. Nicht, dass die sinkende Tendenz (20, 15, 10 Turnfeste) weiter anhält und Stephan Fischers Prognose von 2001 doch noch eintrifft.
Text: Alexandra Herzog
Foto/Graphik: STV


Dieser Beitrag ist auch im GYMlive 3/2020 auf Seite 14/15 nachzulesen.
Ausserdem kommen auf Seite 8-11 die Organisatoren der abgesagten Turnfeste 2020 zu Wort.

Platin Partner

Gold Partner

Silber Partner

Bronze Partner

SCHLIESSEN